SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz: Der Antrag

Der Antrag an die UNESCO: Englisches Dossier

Die Begründung - die Kriterien des Antrags

UNESCO-Website zu SchUM
Der außergewöhnliche universelle Wert der SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz basiert auf folgenden Values:
Einfluss auf die Entwicklung der Architektur: Herausragende, richtungsweisende Bauten und Anlagen, deren Gestaltung jüdische Ritualbauten und Bestattungskultur in Mitteleuropa über mehrere hundert Jahre maßgeblich beeinflusst haben.
Zeugnis einer lebendigen Tradition: Herausragende, besonders frühe und in einzigartiger Dichte und Vollständigkeit überkommene Zeugnisse für die lebendige Tradition „aschkenasischen Judentums“.
Zeugnis des Prozesses der Urbanisierung: Herausragende Zeugnisse der Partizipation von Juden am Prozess der Urbanisierung nördlich der Alpen während des 10. bis 13. Jahrhunderts.
Zeugnis der Begegnung und/oder gewalttätigen Verfolgung: Außergewöhnliche und aussagekräftige Zeugnisse der langen Geschichte christlich-jüdischer Begegnung und gewalttätiger Verfolgung und wurden schon früh in ihrer Bedeutung erkannt und als hochrangige Erinnerungsorte behandelt.
Zentrum religiösen Geisteslebens: SchUM bietet fassbare Zeugnisse der Wiege des aschkenasischen Judentums. Gelehrte, Dichter und Gemeindevorstände in Mainz, Worms und Speyer spielten führende Rollen in der Formation dieser Tradition während des 10. bis 13. Jahrhunderts. Ihr Selbstverständnis als »heilige Gemeinden« spiegelt sich in gemeinsamen Statuten (den Takkanot SchUM), in Werken über religiöses Recht und Ethik und in liturgischen Dichtungen. All diese Schriften sind bis heute Teil der jüdischen Tradition.
Zum Nachweis eines außergewöhnlichen universellen Wertes gehören auch die Bedingungen der Unversehrtheit (Integrität) und der historischen Echtheit (Authentizität). Die Unversehrtheit ist dabei ein Maßstab der Vollständigkeit und Intaktheit der Merkmale der nominierten Welterbestätte, die einen außergewöhnlichen universellen Wert haben.

Die SchUM-Stätten Speyer Worms und Mainz erfüllen die Bedingung der Integrität, weil ...
... die serielle Nominierung die eng verflochtene kulturelle Tradition der Kehillot SchUM in den drei Städten Speyer, Worms und Mainz repräsentiert.
... die Grenzen des Gutes weitgehend denen der ursprünglichen Begebenheiten folgen.
... die angemessene Größe des Gutes die vollständige Wiedergabe der Merkmale, die die Gesamtbedeutung der SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz vermitteln, gewährleistet.
... keine der Komponenten von nachteiligen Auswirkungen durch städtebauliche Entwicklungen oder durch Vernachlässigung bedroht ist.
Die historische Echtheit bringt den Zusammenhang zwischen Merkmalen und außergewöhnlichem universellem Wert zum Ausdruck. Die Bedingung kann als erfüllt betrachtet werden, wenn der kulturelle Wert durch eine Vielzahl von Merkmalen zum Ausdruck gebracht wird. Die SchUM-Stätten Speyer Worms und Mainz erfüllen den Aspekt der Authentizität, weil ...
... die grundsätzliche Anordnung, die räumliche Aufteilung und die jeweiligen Zusammenhänge im Zusammenspiel mit der architektonischen Gestalt ihre bedeutende und einflussreiche Entwicklung im Hochmittelalter in klarer und unvergleichlicher Weise wiederspiegelt.
... sie entsprechend ihrem historisch gewachsenen Charakter vom 11. bis 14. Jahrhunderts, mit Ergänzungen im 17. Jahrhundert und Eingriffen im 20. Jahrhundert, gut erhalten sind und in allen Aspekten ihre Authentizität bewahrt haben.
... geborgenes Material für notwendige Instandsetzungen über Jahrhunderte hinweg wiederverwendet wurde.
... die Synagoge und die angrenzenden Bauten im Synagogenbezirk Worms, die im November 1938 in Brand gesetzt wurden, im Gegensatz zu anderen Ritualbauten sorgfältig wiedergewonnen und, wo notwendig, in Übereinstimmung mit umfangreich vorliegenden Dokumentationen rekonstruiert wurde. Die Wiedergewinnung, im Kontext der absichtlichen und systematischen Zerstörung von kulturellem Erbe ist daher eine grundlegende Erhaltungsmaßnahme wurde zum Schutz der materiellen Werte und der damit verbundenen immateriellen Praktiken und Überzeugungen. Es handelt sich um einen absoluten Ausnahmefall, bei dem der Wiederaufbau auf Grundlage der heute noch gültigen konservatorischen Richtlinien gerechtfertigt ist.
... bereits seit dem Hochmittelalter ein Bewusstsein für die Bedeutung des nominierten Guts bestand und die Komponenten und ihre Elemente seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wissenschaftlich untersucht, und zunehmend in ihrer Bedeutung anerkannt wurden. Die bestehende und fortlaufende Dokumentation ist umfassend und die Forschung dauert an.

Das Gut erfüllt die Vorgaben zu Schutz und Management, zentrales Schutzinstrument ist das Denkmalschutzgesetz des Landes Rheinland-Pfalz. Durch die Unterschutzstellung kommt den SchUM-Stätten der größtmögliche rechtliche Schutz zu. Darüber hinaus gewährleisten die gesetzlichen Grundlagen der Stadt- und Landesplanung sowie die kommunalen Rechtverordnungen und Satzungen einen zusätzlichen effektiven Schutz des nominierten Guts. Damit der außergewöhnliche universelle Wert der nominierten SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz auch für künftige Generationen erhalten bleibt, und um den Schutz sowie ein integriertes und koordiniertes Management zu gewährleisten, wurde ein Managementplan erarbeitet. Im Managementplan werden die kontinuierlich durchzuführenden Maßnahmen sowie prioritären Projekte detailliert dargestellt. Der Managementplan erläutert die Pläne für Bildungs- und Vermittlungskonzepte sowie für ein verantwortungsvolles Besuchermanagement und für ein nachhaltiges Tourismuskonzept.

SchUM - mehr als Monumente und Friedhöfe

Die SchUM-Stätten sind von zentraler Bedeutung für das Judentum und Juden weltweit und sind anerkannt als bedeutendes jüdisches Erbe auch in der nichtjüdischen Welt.

SchUM sind Mikwaot und Synagogen, Frauenschuln und Lehrhäuser sowie Friedhöfe. SchUM sind Gelehrte, Wissen und Tradition. Zugleich spiegelt sich in der Geschichte und Tradition dieser drei Städte und ihrer jüdischen Stätten auch, wie sich das jüdische Gemeindeleben und die Gelehrsamkeit inmitten der christlichen Mehrheitsgesellschaft entwickelte, aber auch immer wieder gehemmt oder gar zerstört wurde. SchUM bedeutet Koexistenz und Austausch, Miteinander und Nebeneinander, Blütezeiten und auch Niedergang durch Vertreibungen und Morde. Juden haben zu gesellschaftlichen und religiösen, wirtschaftlichen und sozialen Diskussionen und Entwicklungen, aber auch zu Kultur, Baukunst, Recht und anderen Disziplinen in SchUM beigetragen. SchUM war wie ein jüdisches Lehrhaus in vielen Gebäuden und an drei Orten, dessen Bedeutung über die konkreten Orte hinausging. Die antijüdischen Pogrome und Verfolgungen bis hin zur Shoah haben ebenfalls tiefe Prägungen hinterlassen – und doch wurden Brücken über diese Gräben errichtet, um das gemeinsame Erbe zu betreuen und zu bewahren und der Nachwelt in seinem Wert zu vermitteln.

Die UNESCO möchte mit dem Welterbe die Welt in ihrer Diversität abbilden. Die SchUM-Stätten verbinden jüdische mit europäischer mit globaler Geschichte, sie sind bedeutsam für Juden und Nichtjuden weltweit. Die Monumente sind herausragend und dienen als Erinnerungsraum sowie für die eigene Selbstverortung in der Gegenwart.

SchUM bietet Raum für Reflexionen.

SchUM lässt uns mit zentralen Fragen auch für die Gegenwart zurück:

  • Wie können und sollen verschiedene Kulturen und Religionen miteinander leben, ohne ihre eigenen Wurzeln aufzugeben? Wie funktioniert Koexistenz? Assimilation oder Akkulturation?
  • Wie ist ein neues Zusammenleben möglich nach Pogromen, Vernichtungen und Vertreibungen?
  • Was bedeuten jahrhundertealte Kommentare eines Raschi z.B. für das heutige Zusammenleben oder für Fragen der Wirtschaftsethik? Weshalb sollten religiöse Texte und Gebote hinterfragt, diskutiert und zeitgemäße Zugänge und Neuinterpretationen gefunden werden?
  • Ein Welterbe SchUM wird der Bedeutung dieser einzigartigen jüdischen Tradition gerecht.

Ein Welterbe SchUM verdeutlicht, dass SchUM nicht nur Geschichte, sondern auch Gegenwart ist.
Die nach der Shoah gegründeten Gemeinden in Deutschland und Europa kennen und reflektieren die Traditionen aus SchUM.
Diese Traditionen aufzugreifen, zu diskutieren und neu zu überdenken, entspricht dem Geist und der Gelehrsamkeit von SchUM.